1.1.2 Michael Thonet
Michael Thonet war Tischlermeister und Gründer des Unternehmens Thonet. Er erfand bzw. revolutionierte das Verfahren zur industriellen Herstellung von Bugholzmöbeln. Thonets Karriere begann 1819 mit der Eröffnung seiner ersten eigenen Werkstatt in Boppard am Rhein. Hier begann er mit neuartigen Holzbiegetechniken zu experimentieren. 1830 entstanden so erste Entwürfe aus gebogenem Schichtholz. Er experimentierte ständig weiter, was jedoch 1842 zur Pleite seiner Werkstatt führte – sein gesamter Besitz wurde verpfändet.
Thonet in Wien
Ein Jahr zuvor auf der Koblenzer Gewerbeausstellung machte Thonet die Bekanntschaft mit Fürst Klemens Wenzel Lothar von Metternich, der von seinen Möbeln begeistert war und zu ihm gesagt haben soll: »In Boppard werden sie immer ein armer Mann bleiben. Kommen sie nach Wien«. So siedelte Thonet mit seiner gesamten Familie schließlich 1842 nach Wien um. Er arbeitete dort mit seinen Söhnen zumindest in einem Arbeitnehmerverhältnis – allerdings mit großem Erfolg auf dem österreichischen Markt. 1849 wagte er wieder den Schritt in die Selbstständigkeit und bereits 1850 entstand sein Stuhl Nr. 1, der auf der Londoner Industrieausstellung 1851 für Aufsehen sorgte.
preisgekrönte Möbel
Auf den internationalen Leistungsschauen (1851 – Great Exhibition, 1855 – Weltausstellung in Paris, etc.) bekam Thonet regelmäßig Medaillen für seine Möbel. Bereits 1856 eröffnete er eine weitere Fabrik in Koritschan. Weitere Verkaufsstellen befanden sich am Ende von Thonets (durch eine Erkältung beendetes) Leben in Barcelona, Brüssel, Bukarest, Chicago, Frankfurt am Main, Graz, Hamburg, London, Moskau, New York, Paris, Prag, Rom und Sankt Petersburg.
Stuhl Nr. 14
1859 entwickelte Thonet den sogenannten Stuhl Nr. 14, der bis heute als Stuhl aller Stühle bekannt ist. Vom Stil her sind die Thonetmöbel im späten Biedermeier anzuordnen. Welche Bedeutung hat nun Thonets scheinbarer eher industrieller Werdegang für das Design? Thonet konnte sich durch Innovation und Erfindergeist von seiner Konkurrenz hervorheben. Dieses wurde durch die von Thonet erfundene Bugholztechnik untermauert. Er wird in vielen Büchern oft als Erfinder der Bugholztechnik gepriesen – dies stimmt allerdings nur zum Teil.
Bugholztechnik Geschichte
Das Bugholzmöbel, bzw. die Technik gedämpftes Holz zu biegen, ist bereits seit dem Mittelalter bekannt. Thonet hat diese Technik soweit entwickelt, dass sie sich für die industrielle Massenproduktion eignet und kosteneffizient ist. So wurde beim traditionellen Tischler eine Schwingung durch Sägen, Hobeln oder Schnitzen aus einem Holzblock erreicht. Thonet beschäftigte sich am Anfang seines Arbeitslebens als Tischler mit anderen Möglichkeiten zur Biegung von Holz. Grundsätze seiner Arbeit waren dabei die materialgerechte Formfindung, Werkzeugbau und natürlich die industrielle Nutzung. Ein Verfahren, das er sich später auch patentieren ließ und die Grundlage seiner Möbel bildete, basierte auf der Verleimung von gebogenen Furnierschwarten. Im Laufe seiner Karriere experimentierte er immer weiter, um die Technik noch effizienter und ökonomischer zu machen, was zu weiteren Patenten und mehr Produktabsatz führte.
Merkmale von Thonets Design
Thonets Design seiner Möbel hob sich durch die materialgerechte Formfindung deutlich von der Konkurrenz der damaligen Zeit ab. Sein moderner Ansatz fand wenig Zuspruch bei den damaligen Zeitgenossen, die eine ornamental überladene und handwerklich aufwendigere Produktion bevorzugten. Gerade dies war wahrscheinlich der Mehrwert der Thonet Möbel, die sich aus einem ganzheitlichen Prozess heraus entwickelten und den Kunden so auch eine eigene Authentizität lieferten – Form folgt Funktion.
modulares Prinzip
Ein weiterer Punkt an Thonets Geschäftsmodell war, dass seine Möbel aus einem modularen Prinzip bestanden. Sie wurden als Einzelteile verschickt und mussten dann vom Kunden mittels Schrauben aufgebaut werden. Thonet war zu dieser Zeit der Einzige, der dieses Konzept verfolgte. Der Vorteil, der auch Thonets Motivation gegenüber diesem Konzept erklärt, liegt in der leichten Transportiermöglichkeit solcher Möbel. So konnte er seine Produkte in die ganze Welt verschicken und auch in der ganzen Welt (natürlich am kostengünstigsten Standort) produzieren lassen. Er verstand also schon im 19. Jahrhundert die Vorzüge der Globalisierung für sein Geschäft zu nutzen.
Fazit Michael Thonet
Design & Konzept gehen Hand in Hand
Die Grenzen von Design scheinen im Falle Thonets sehr weitreichend zu sein und teilweise auch ineinander zu fließen – gemessen an seinem ökonomischen Erfolg, scheint diese Sicht der Disziplin des Designs (auch wenn Thonet dabei wahrscheinlich nicht bewusst war, dass er Designer war) die optimalste zu sein. Das Design ergab sich aus dem Konzept bzw. aus den vorhandenen Möglichkeiten – wobei die Möglichkeiten im Hinblick auf das Design und andere Faktoren zusätzlich weiterentwickelt wurden. (Produktions-) Technik, Vertrieb und Design gingen bei Thonet somit Hand in Hand. Der Designer ist hier also nicht der Aufhübscher, sondern stark eingebunden in einen forschenden, auf (Material-) Experimenten basierenden Prozess. Thonets Möbel sind auch heute noch sehr beliebt – auch sie scheinen damals keiner Mode gefolgt zu sein, sondern ihre Form ergab sich eben aus der von Thonet durch Experimente und Analyse erforschten Herstellungsweise. Damit sind sie konsequent und ihre Ästhetik ergibt sich aus dem Herstellungsverfahren und strahlt so eine Ehrlichkeit und Kredibilität aus, die bis heute, wie die Möbel der Shaker, sehr beliebt sind. Sein Stuhl Nr. 14 wurde bis 1930 über 50 Millionen mal verkauft und wird auch noch bis heute (unter dem Namen Stuhl 214) verkauft.
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