3.3.2 Kreativität

Kreativität

 

Voraussetzung für Problemlösung

Genau diesen Vergleich haben auch Don Koberg und Jim Bagnall aufgegriffen und konsequent in ihrem Buch »The Universal Traveller« umgesetzt. Sie sehen in der Kreativität eine wichtige Voraussetzung für den Problemlösungsprozess. Kreativität bedeutet für die beiden die Verbindung des Sinnlichen mit dem Wissen. Dabei ist gerade die Verbindung dieser zwei Denkweisen für sie entscheidend.

Verschiedene Denkweisen

Denn sinnlich ODER sachlich denken kann jeder, bzw. ist keine Schwierigkeit – aber sinnliches UND sachliches Denken zur selben Zeit, zeichnet einen guten Designer aus. Dabei kann man sinnlich mit subjektiv und sachlich mit objektiv substituieren. Womit wir wieder die direkte Referenz zu komplexen Problemstrukturen hätten. Denn für die einfachen Probleme, die auch von einem Computer gelöst werden können, braucht man eben nur das Sachliche denken und keine Kreativität, die auch unser sinnliches Denken beeinflusst.

»erwachsene« Denkweise

Koberg und Bagnall beschreiben weiterhin, dass »Erwachsene« im Gegensatz zu Kindern objektiv sind. Sie leben in einer Welt von Bedeutungen, die alle vordefiniert sind und über die sie nicht nachdenken. Diesen Bedeutungen wurden irgendwann in ihrer Kindheit Wörter und Symbole zugeordnet, die dazu führten, dass über die tiefere Bedeutung nicht mehr nachgedacht wurde bzw. in einem zur damaligen Zeit bestimmten Kontext nachgedacht wurde und dem Exzerpt aus dem »Drübernachgedachten« nun ein Wort oder etwas Ähnliches als Bedeutungsträger dieses Kontextes zugeordnet wurde. Dieser Vorgang ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, so beschleunigt es unser Zusammenleben bzw. macht es erst möglich. Nach Luhmann wird so die Kommunikation in einer Massengesellschaft vereinfacht und die Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation gemindert. Weiterhin wäre es im Alltag sicherlich auch sehr hinderlich, wenn wir jedes Mal über die Bedeutung von Objekten neu nachdenken müssten oder sinnliche Erfahrungen jedes Mal neu machen müssten bzw. wollten.

Über den Tellerand schauen

Allerdings liegt gerade hier der Knackpunkt zur Kreativität – man entfernt sich von den normalen Ansichten und setzt neue bzw. andere Kontexte, man schafft es, Dinge nicht als gegeben zu betrachten, sondern ist in der Lage auch noch einmal komplett neu über Etwas nachzudenken – eben wie Kinder, die viele Dinge das erste Mal erleben und so völlig unvoreingenommen an eine Sache bzw. Objekt herangehen können. Dieses kindlich, unvoreingenommene Betrachten von Sachverhalten oder Objekten sollte auch bei dem Designprozess angewendet werden – anders ausgedrückt, man sollte einen Schritt von den Dingen zurückgehen und nochmal mehr über das Ganze nachdenken, über den Tellerrand schauen.

»…If you become more aware of your position relative to what has gone before and what is yet to come, your ability to decide from both the broad view and the specific view is increased allowing you to become more accurate in your predictions and choices throughout every journey…«

Schlüssel zur Kreativität

Koberg und Bagnall präsentieren in diesem Zusammenhang auch die Schlüssel zur Kreativität:

»…
1. Freedom from pride (self-discipline)
(Freisein von falschem Stolz)
2. Belief in self and the ability to succeed
(Vetrauen in den eigenen Erfolg)
3. Constructive discontent
(Schöpferische Unzufriedenheit)
4. Wholeness
(Ganzheit aus Gefühl und Verstand)
5. Ability to control habitat
(Fähigkeit, Gewohnheiten zu beherrschen)
…«

1. Freisein von falschem Stolz

Überheblichkeit verhindert das Stellen von Schlüsselfragen und, wie bereits schon erwähnt, das Neuinterpretieren von Dingen, die bereits mit Bedeutung belegt wurden. Falscher Stolz und Kreativität schließen sich gegenseitig aus, weil die kindliche Wissbegierde damit unterdrückt wird. Weiterhin ist jemand mit falschem Stolz oft unfähig, seine Meinung oder Denkrichtung zu ändern, man ist sich selbst über unkritisch und nicht reflektiert. Koberg und Bagnall fordern hier die Selbstlosigkeit und das Unterordnen der Person unter die Aufgabe.

2. Vertrauen im eigenen Erfolg

Selbstvertrauen sollte nicht der Freibrief dafür sein, zu machen, was man will, ohne dabei kritikfähig zu sein, aber es ist die Voraussetzung für die eigene (kreative) Weiterentwicklung. Generell ist eine gesunde Selbstüberschätzung förderlich für das Erreichen von besseren Leistungen, da wir durch unsere Gesellschaft immer dazu angehalten werden Bescheidenheit zu üben und uns somit immer automatisch leicht unterschätzen – Mut zur Leistung! »…Beginne, an deine eigenen kreativen Möglichkeiten zu glauben, und du wirst anfangen, kreativ zu sein!…«

3. Schöpferische Unzufriedenheit

Die dem jungen Menschen innewohnende Unzufriedenheit verwandelt sich oft in allgemeine Nörgelei beim Älterwerden. Diese Nörgelei wird dann später oft unterdrückt, weil sie unkonstruktiv ist und in unserer Gesellschaft nur selten gesehen wird und auch nicht zu einer besseren Gesellschaft beiträgt. Der Trick besteht darin, aus dieser Unzufriedenheit heraus eine konstruktive, schöpferische Haltung zu entwickeln – also produktive Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Insofern ist die Unzufriedenheit ein wichtiger Bestandteil des kreativen Problemlösens: Sie und eine konstruktive Haltung sind dann der Schlüssel zum kreativen Problemlöser.

4. Ganzheit aus Gefühl und Verstand

Der vierte Punkt meint eine Denkweise, die wir weiter oben schon betrachtet haben: Das gleichzeitige Gefühlsdenken verknüpft mit dem rationalen Verstand. Nur über die Anstrengung beider Denkweisen kommen wir zu neuen, innovativen Ansätzen. Empfindung und Verstand, also Subjektivität und Objektivität sind wichtige Bestandteile des kreativen Problemlösens. Sicherlich ist es einfacher zu wissen als zu fühlen, aber Wissen basiert auf Erfahrungen, die aus der Vergangenheit stammen und bei wissentlicher Anwendung nicht noch einmal verifiziert werden muss. Das kindliche Hinterfragen führt zu neuen bzw. anderen Ansätzen.

5. Fähigkeit, Gewohnheiten zu beherrschen

Gewohnheiten sind wichtig. Sie helfen, uns in der Gesellschaft zurechtzufinden und das in einem zeitlich verträglichen Maß. Sie helfen uns, schnell auf Dinge zu reagieren und entlasten somit unser Gehirn – für die Kreativität sind sie allerdings hinderlich, da genau das Denken in festgefahrenen Mustern ein Widerspruch zum Kreativen, zum Abnormalen, zum Ungewöhnlichen ist.

Das Wort Kreativität

Dieser romantische Ansatz an das Wort Kreativität hat sicherlich seine Berechtigung, wurde jedoch von vielen Protagonisten der Design-Methods-Bewegung in den 60er Jahren abgelehnt, da er das sinnliche Denken zu stark gewichtet hat und damit eine wissenschaftliche Betrachtung schwer macht, weil das sinnliche Denken eben auch vom Subjekt und der Wahrnehmung seiner Umwelt abhängt. Weiterhin scheint das Wort Kreativität einen gerichteten Vorgang zu bezeichnen, was im Gegensatz zu seiner Intention des »frei denkens« steht. Jones lehnt sogar die Benutzung des Wortes ab:

Jones über Kreativität

»…I usually try to avoid this word, preferring the terms »inventiveness« or »imagination«. Creativity seems to imply too much control, too little sensitivity…«

Er versucht eine Definition über den Wechsel der Perspektive zu geben. Kreativität bzw. ihrer alternative Bezeichnung zielen auf das Stellen von guten Fragen ab, die nur durch Empathie mit anderen (die Personen, die in das jeweilige Problem involviert sind) zu erreichen sind. Für ihn manifestiert sich Kreativität in der Ausführung der Methoden, eben im Fragen stellen, in der Zieldefinition der jeweiligen Designphase, in den Klassifikationen und dem Designen des Designprozesses.

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