2.17 Innovation planning von Kumar

2003 | Innovation planning von Vijay Kumar

Beobachtung der Realität

Vijay Kumar ist Professor am IIT Institute of Design, wo er strategische Designplanung und Design-Methoden lehrt. Insofern ist seine Sichtweise wohl eine der passendsten, denn er kommt direkt aus dem Design, ist jedoch auch als Unternehmensberater tätig. Für ihn startet der Designprozess im Realen – der Realität. Die Beobachtung von handfesten Faktoren und Zuständen in der Realität ist Ausgangspunkt und wird durch Abstrahierung des Gesehenen und Erstellung von konzeptionellen Modellen besser verstanden. Die Abstraktion der Realität hilft dabei, neue Konzepte zu erforschen. Auch er ist für ein Vor- und Zurückbewegen im Innovations – prozess, bzw. Designprozess.

Oszillisation zwischen Realem & Abstraktem

Dabei sollte der Prozess zwischen Realem und Abstrakten und Verstehen und Machen hin und her oszillieren. Kumar bemerkt in seinem Buch »101 Design Methods«, dass der Designprozess nicht linear ist, auch wenn die Idee eines Prozesses nahelegt, dass es eine lineare Sequenz geben muss. Sein Modell kann auch nicht als Fahrplan verstanden werden, in dem eine Phase auf die andere folgt – beispielsweise kann es in einem Projekt mit Brainstorming losgehen (also der Synthese – explore concepts) und danach kann dann zurück gesprungen werden in die Analyse und die Recherche, um die, im Brainstorming gesammelten Ideen, zu variieren bzw. zu überprüfen, um danach weiter entwickelt zu werden.

iterativer Prozess

Auch er spricht von einem iterativen Prozess und so kann auch in seinem Modell Zirkularität erzeugt werden und einige Phasen mehrmals durchlaufen werden. Sein Modell besteht zwar aus vier Quadraten – aber in diesen vier Quadraten befindet sich nochmals eine Unterteilung – insgesamt besteht sein Prozess aus sieben Phasen, die durch die vier Quadrate in Kategorien eingeteilt werden. Mit welcher Kategorie begonnen wird. Dies ist nach seinem Modell nicht festgelegt, nahe liegt jedoch, das Beginnen im »understand«- und »real«-Quadrat, ist jedoch nicht zwingend. Die sieben Phasen sind:

Phasen des Modells

1. Phase: Sense Intent (Zieldefinition)

Bevor es mit dem Projekt losgeht, sollte die Welt um uns herum betrachtet werden: Veränderungen in der Technologie, Gesellschaft, Kultur, Politik und andere Faktoren. Außerdem sollten neueste Nachrichten, technologische Neuerungen und allgemeine Veränderungen recherchiert werden (dies sollte der Designer jedoch projektunabhängig zu jeder Zeit betreiben). Diese Möglichkeiten und Informationen sollten bei der Zieldefinition herangezogen werden. Auch Kumar fordert in dieser Phase ein Zurücktreten vom eigentlichen Problem, bzw. von den Details und das Ausweiten der Sicht auf eine höhere Ebene, um das Überthema und die eventuell schon darin angelegten Grundprobleme zu erkennen.

2. Phase: Know Context (Kontextanalyse)

In der zweiten Phase wird der Kontext, in den sich die Innovation bzw. das Produkt integrieren soll, analysiert. Dazu gehören bereits vorhandene Produkte, Dienstleistungen, Erfahrungen und der Markt allgemein. Ein weiterer Bestandteil dieser Phase ist das Recherchieren, Analysieren und Untersuchen von Konkurrenzprodukten bzw. von Produkten die einen ähnlichen Ansatz und / oder Funktion haben. Interessant in dieser Phase sind auch äußere Einflüsse (eben durch den Kontext), die auf das Produkt bzw. auf seine Funktion wirken – dazu gehören z.B. politische Regulationen und industrielle Vorgaben bzw. Einschränkungen.

3. Phase: Know People (Personenanalyse)

Das Ziel dieser Phase ist, die Ziele von den Benutzern zu verstehen und auch ihre Umgebung mit Wechselwirkung zwischen ihren Zielen zu analysieren. Für diese Phase sind mächtige Methoden nötig – nur Interviews oder Befragungen reichen nicht aus, weil man davon ausgeht, dass die Reflexionsfähigkeit der meisten Benutzer nicht ausreicht, um neue Innovationen zu explorieren. Deshalb sollte man Endbenutzer auch in bestimmten Situationen überwachen und andere Methoden verwenden, die nicht auf einfache Aussagen der Endnutzer gestützt sind. Eine Wechselwirkung zwischen Analyst und den zu untersuchenden Leuten sollte und muss für eine fruchtbare Recherche entstehen.

4. Phase: Frame Insights (Analyse zusammenfassen)

In dieser Phase erfolgt die Zusammenfassung der Informationen, die in den vorangegangenen Phasen ermittelt wurden. Dabei geht es um die Strukturierung der Informationen, um das Erkennen von Zusammenhängen und Mustern und das Ermitteln von Möglichkeiten und / oder Nischen. Die Konsequenz aus dieser Analyse ist ein besseres Verständnis der Umstände und mehrere Blickwinkel bzw. Perspektiven zu erhalten. Systeme werden aufgrund der eruierten Information modelliert und Grundstrukturen ermittelt.

5. Phase: Explore Concepts (Konzepte ermitteln)

Nach den (teilweise) abstrakten Analysephasen folgen nun Phasen des »Machens«. Anhand der strukturierten, ermittelten Informationen werden nun (zum Beispiel durch Brainstorming) Konzepte erdacht. Kumar betont hier auch die Wichtigkeit von Teamarbeit, die bei der Generierung von neuen Ideen wie ein Katalysator wirkt (»…We ensure that fresh and bold ideas are generated through collaborative sessions. Team members build on each other‘s concepts while carefully postponing critical evolution…«). In dieser Phase werden auch grobe Prototypen angefertigt – um sie im Team zu diskutieren oder auch Kundenfeedback zu erhalten. Aufgrund zuvor speziell für das Projekt ausgebildeter Designprinzipien werden (allgemeine) Konzepte ermittelt und mithilfe von Hilfsmitteln (z.B. Prototypen) kommuniziert.

6. Phase: Frame Solutions (Lösungen ausarbeiten)

Nachdem nun die vorhergehende Phase der Divergenz von Konzepten beendet ist, markiert diese Phase die Auswahl und Hierarchisierung von Konzepten. Eine mögliche Kombination bzw. Vernetzung von Konzepten wird ermittelt und es wird evaluiert, welche Konzepte für den Benutzer und den Auftraggeber den meisten Wert bringen. Iterativ werden jetzt Prototypen erstellt, um dem Benutzer konkret zu zeigen, was möglich ist bzw. sein könnte. Die Methode des Prototypen ist natürlich nur Mittel zum Zweck – das Werkzeug, um seine Lösung dem Kunden und dem Benutzer zu kommunizieren muss von Fall zu Fall ausgewählt werden. Wichtig ist hier, dass der Prototyp (oder die jeweilige Darstellungsform) möglichst nah an der Lösung ist und sich zur Kommunikation der konkreten Intention eignet.

7. Phase: Realize Offerings (Realisierung)

Die letzte Phase ist die eigentliche Umsetzung. Es wird sich für eine Umsetzung entschieden, Prototypen werden auf Umsetzbarkeit, Viabilität, Details und technische Spezifikationen getestet. Kumar deutet hier auch das Entwerfen eines Businessplanes für das Produkt an und das Eruieren von Produktionsdetails und Besonderheiten. Im Dialog mit Auftraggeber und Produktion werden weiterhin auch nochmal Details abgeglichen (Umsetzbarkeit – Produktionskosten).

Was bedeutet das für den Designprozess?

Sehr abstraktes Modell

Kumars Modell ist wohl das abstrakteste hier vorgestellte Modell. Dieser Abstraktionsgrad des Designprozesses bietet Vor- aber auch Nachteile. Zum einen ist die Reihenfolge, in der die Phasen durchlaufen werden, nicht vorgegeben, was gleichzeitig ein Vor- und Nachteil ist. Dadurch entsteht eine größere Unsicherheit, welche Phase nun auf die vorherige folgen soll (obwohl natürlich durch die Nummerierung eine scheinbare Reihenfolge vorgegeben ist). Weiterhin muss in jeder Phase reflektiert werden, wie der Stand des Projektes ist und welche sich anschließende Phase die sinnvollste ist.

Universell durch Abstraktion

Die hohe Abstraktion des Modells bietet jedoch die Möglichkeit, dieses Modell auf viele Designdisziplinen zu übertragen. Kumar kommt sicherlich aus dem Interface-Feld, jedoch lässt sich durch eine geringfügige Verschiebung bzw. Redefinierung der Phasen ein Modell entwickeln, das eventuell auf alle Disziplinen angewendet werden kann.

Wirtschaftlichkeit

Bemerkenswert an seinem Modell ist auch die Integration eines Businessplanes, der in Wechselwirkung mit dem erarbeiteten Konzept angepasst wird und sich so in einem Firmenproduktportfolio optimal eingliedern lässt. Die Wirtschaftlichkeit sollte bei der Umsetzung und Konzepterarbeitung auch eine Rolle spielen, so arbeitet der Designer nicht in einer realitäts- (bzw. markt-) fernen Welt sondern designt immer auch für eine konkrete Realität und einen konkreten Markt bzw. eine konkrete Zielgruppe, die jeweils ihre eignen Präferenzen und Spielregeln hat, die bei der Umsetzung auch Rückkopplungseffekte haben sollte.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert